Saarbrücken, 18. November 2024 - Um antimikrobielle Resistenzen nachhaltig bekämpfen zu können, werden neue resistenzbrechende Wirkstoffe dringend benötigt. Zusätzlich ist es wichtig, die Bevölkerung über die gesellschaftliche Bedeutung und die sachgemäße Anwendung von Antibiotika aufzuklären. Das Citizen Science-Projekt MICROBELIX hat sich gleich beides zum Ziel gesetzt. Teilnehmende sammeln Bodenproben, in denen Forschende des HIPS nach neuen Bakterien suchen, die als Quelle neuer Wirkstoffe dienen sollen. Gleichzeitig erhalten die Citizen Scientists wertvolle Informationen rund um die Themen Antibiotika, Resistenzen und mikrobielle Biodiversität. Im Interview erzählt Dr. Daniel Krug, leitender Wissenschaftler in der Abteilung Mikrobielle Naturstoffe, wie MICROBELIX funktioniert und warum es gerade in der aktuellen Zeit besonders wichtig ist, nach neuen Antibiotika zu suchen.
Mit MICROBELIX kann jede:r zum:zur Forscher:in werden. Erklären Sie uns doch bitte einmal die Idee hinter diesem Citizen Science-Projekt.
MICROBELIX ist eine Einladung an jedermann, mit uns in die Biodiversität der Mikroorganismen im Boden einzutauchen. Damit verbindet sich die Hoffnung, einen Blick auf ansonsten Unsichtbares zu erhaschen, das wir durch unsere Forschungsarbeit sichtbar machen können. Das ganz Kleine unter unseren Füßen ist immer wieder faszinierend für viele.
Dazu kommt natürlich der Anwendungsaspekt, dass eben diese Biodiversität, die wir gemeinsam entdecken, für uns der Input für eine regelrechte Forschungspipeline ist. An deren Ende stehen neue Wirkstoffe. Ich denke, dieses Zusammenspiel von einem allgemeinen Naturforscher-Gedanken und dem Gedanken der medizinischen Anwendung macht den besonderen Reiz dieses Projekts aus.
Neben der Suche nach neuen Wirkstoffen haben Sie mit MICROBELIX ja auch das Ziel, Wissen aktiv in die Gesellschaft zu bringen. Wie klärt das Projekt MICROBELIX die Teilnehmer:innen über die Bedeutung von Mikroorganismen in der Wirkstoffforschung auf, insbesondere in Bezug auf Antibiotika?
Die erste Überraschung, die unsere Citizen Scientists meistens haben, wenn wir unser Projekt vorstellen, ist, dass Antibiotika überhaupt gar keine menschliche Erfindung sind. Stattdessen findet ihr Wirkprinzip gerade im Boden, der ein von Mikroorganismen hoch umkämpftes Habitat ist, regelmäßig Anwendung. Sie tragen mit Antibiotika eine Art fortgeschrittenen Nachbarschaftsstreit aus. Die Myxobakterien, die wir hier in Saarbrücken und in Braunschweig besonders erforschen, müssen als langsam wachsende Organismen chemisch dafür umso schlagkräftiger sein, um sich in diesem Habitat zu behaupten.
Warum ist es aus Ihrer Sicht besonders wichtig, dass die Bevölkerung gerade jetzt mehr über Antibiotika und Antibiotikaresistenzen erfährt, und wie unterstützt MICROBELIX dieses Ziel?
Die Coronavirus-Pandemie hat das Thema der antimikrobiellen Resistenz in den Hintergrund gerückt. Gerade jetzt halten wir es daher für besonders wichtig zu zeigen, dass hier permanent eine Art ‚stille Pandemie‘ unterwegs ist. Wir laufen Gefahr, bei den Antibiotikaresistenzen ins Hintertreffen zu geraten, weil auch die bisherige Praxis der Antibiotikaanwendung inklusive Verwendung in der Tiermast dazu geführt hat, dass wir fortschreitende Resistenzbildungen haben. Wir sind derzeit in der prekären Lage, Innovationen und neue Wirkstoffe hervorbringen zu müssen, weil wir sonst gegen schwer behandelbare Krankheiten keine Reservetherapie mehr haben.
Viele Leute haben bereits einen erfreulich aufgeklärten Wissensstand darüber und sind deswegen mit viel persönlichem Eifer bei MICROBELIX dabei. Auch wenn man erst mal nicht weiß, ob die eigene Bodenprobe nachher die Erfolgsprobe ist, kann man damit aktiv etwas beisteuern.
Interview: Dr. Charlotte Schwenner