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Dr. Joy Birkelbach und Dr. Sebastian Walesch im Labor.

Die Anti-Malaria-Bodenprobe

Citizen Science am HIPS deckt neue Naturstoffe gegen Malaria-Erreger auf

Saarbrücken, 20. August 2024 - Die Suche nach neuen Antibiotika ist ein zentrales Anliegen der medizinischen Forschung, insbesondere angesichts der zunehmenden Ausbreitung von Resistenzen gegen bestehende Medikamente. Am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) widmet sich die Abteilung Mikrobielle Naturstoffe unter der Leitung von Prof. Rolf Müller der Entdeckung, sowie der biotechnologischen Verbesserung und Produktion antimikrobieller Naturstoffe. Ein bedeutender Teil dieser Forschung konzentriert sich auf Myxobakterien – Bodenbakterien, die eine Vielzahl bioaktiver Substanzen produzieren. Im Interview erzählt Apotheker Dr. Sebastian Walesch von einem seiner aktuellen Forschungsprojekte, der Rolle von Citizen Science – also wissenschaftlichen Projekten, bei denen interessierte Laien aktiv an Forschungsprozessen teilnehmen – und Zukunftsperspektiven.

Was ist die Aufgabe der Abteilung Mikrobielle Naturstoffe am HIPS und warum gelten Myxobakterien als besonders spannende Forschungsobjekte?
In unserer Forschungsgruppe Mikrobielle Naturstoffe suchen wir nach neuen Antiinfektiva, die gegen Erreger von Infektionskrankheiten wie Bakterien, Pilze, Viren und Parasiten wirken können. Myxobakterien sind für uns besonders interessant, weil sie im Boden, einem stark umkämpften Lebensraum, leben. Hier müssen Mikroorganismen extrem gut an ihre Umgebung angepasst sein und sich gegen zahlreiche Konkurrenten durchsetzen. Im Zuge dessen produzieren sie eine Vielzahl von bioaktiven Naturstoffen. Diese Substanzen können potenziell zu Wirkstoffen entwickelt werden, was für die Entdeckung neuer Medikamente von großem Interesse ist.

Wie geht ihr bei der Isolierung neuer Bakterien und Substanzen vor?
Unser Ansatz basiert auf der Untersuchung von Bodenproben, die wir von Bürger:innen aus ganz Deutschland im Rahmen unseres Citizen-Science-Projekts MICROBELIX erhalten. Diese Proben enthalten oft bisher unbekannte Bakterienarten, darunter auch Myxobakterien. Wir kultivieren die Bakterien im Labor und analysieren die von ihnen produzierten Substanzen auf ihre bioaktive Wirkung. So konnten wir bereits mehrere interessante Naturstoff-Klassen entdecken, die bisher unbekannt waren oder deren Potenzial noch nicht vollständig ausgeschöpft wurde.

Kannst du ein konkretes Beispiel geben, bei dem ihr eine interessante Entdeckung aus Bodenproben gemacht habt?
Natürlich! Ein spannendes Beispiel ist die Wiederentdeckung von Angiolamen. Aus Bodenproben, die im Saarland gesammelt wurden, haben wir Bakterien isoliert, die Substanzen dieser Klasse produzieren. Angiolam A wurde bereits vor etwa 40 Jahren als schwaches Antibiotikum beschrieben. Interessanterweise haben wir herausgefunden, dass diese Substanzen nicht nur gegen Bakterien, sondern auch sehr aktiv gegen die Malaria-Erreger Plasmodien wirken. Diese Entdeckung war unerwartet und zeigt, dass es in dieser Naturstoff-Familie möglicherweise noch weitere bioaktive Substanzen gibt, die bisher übersehen wurden.

Welche nächsten Schritte sind die weitere Erforschung der Angiolame geplant?
Unsere nächsten Schritte beinhalten eine umfassendere Untersuchung der Angiolame. Wir möchten testen, ob diese Substanzen auch gegen andere Krankheitserreger aktiv sind. Es ist durchaus möglich, dass sie eine breitere bioaktive Palette aufweisen, als bisher angenommen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Prüfung ihrer Stabilität und Verträglichkeit in lebenden Systemen, wie zum Beispiel in Zebrafischlarven oder menschlichen Leberzellen. Diese Untersuchungen sind essenziell, um das Potenzial dieser Substanzen als Medikament zu evaluieren, da sie nicht nur wirksam, sondern auch stabil und nicht toxisch sein müssen.

Wie ist das Projekt „Sample das Saarland“ zu MICROBELIX geworden, und was hat euch dazu motiviert, das Projekt auszuweiten?
„Sample das Saarland“ begann 2017 als ein Pilotprojekt, bei dem wir Bürger:innen aus dem Saarland aufgefordert haben, uns Bodenproben aus ihren Gärten oder Lieblingsplätzen im Wald zu schicken. Die Idee war, die breite Bevölkerung in die wissenschaftliche Forschung einzubeziehen und gleichzeitig eine große Vielfalt an Bodenproben zu erhalten. Die Ergebnisse waren äußerst positiv: Wir haben viele interessante Bakterien isoliert, darunter auch die Produzenten der neu entdeckten Angiolame. Aufgrund dieses Erfolgs haben wir entschieden, das Projekt auf ganz Deutschland auszuweiten und es in MICROBELIX umzubenennen. Diese Ausweitung ermöglicht uns, noch mehr Bodenproben zu erhalten und somit die Chance zu erhöhen, neue und interessante Naturstoffe zu entdecken.

Wie war die Resonanz auf das Projekt MICROBELIX, und welche Rolle spielen die Bürgerwissenschaftler:innen bei eurer Forschung?
Die Resonanz war sehr erfreulich. Viele Bürger:innen zeigen großes Interesse und senden uns Bodenproben aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands zu. Es ist faszinierend zu sehen, dass es keinen großen Unterschied macht, ob die Proben von Wissenschaftler:innen oder Bürger:innen gesammelt wurden. In beiden Fällen konnten wir eine erstaunliche Vielfalt an Mikroorganismen entdecken. Die Beteiligung der Bürgerwissenschaftler:innen ist für uns besonders wertvoll, da sie uns helfen, eine größere Datenbasis zu schaffen und möglicherweise Bakterien zu entdecken, die wir sonst übersehen hätten.

Welche weiteren Entwicklungen plant ihr für MICROBELIX, um die Zusammenarbeit mit den Bürgerwissenschaftler:innen zu optimieren?
Um die Kommunikation und den Austausch mit den Bürgerwissenschaftler:innen zu verbessern, planen wir die Entwicklung einer speziellen App. Diese App soll es den Teilnehmenden erleichtern, ihre eingesandten Bodenproben nachzuverfolgen und über die Ergebnisse informiert zu werden. Sie wird Informationen darüber liefern, welche Bakterien in den Proben gefunden wurden und ob diese möglicherweise interessante bioaktive Substanzen produzieren. Wir hoffen, dass diese App die Interaktion zwischen uns und den Bürgerwissenschaftler:innen noch enger und interaktiver gestaltet und das Interesse an wissenschaftlicher Arbeit weiter fördert.


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