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Räumlich-zeitlich aufgelöste Einzelzell-Bioinformatik

Dr. Fabian Kern

Infektionen und Behandlungen mit Antiinfektiva verursachen räumlich sowie zeitlich abhängige biochemische Prozesse im Körper, mit weitgehend unbekannten molekularen Zusammenhängen. In diesem Kontext entwickeln wir fortschrittliche bioinformatische Ansätze wie etwa spezielle Neuronale Netze zur Interpretation der Funktionsweise gesunder sowie erkrankter Zellen auf Basis ihrer RNA-profile. Ein mithilfe von Computermodellen gewonnenes Verständnis der Prozesse in Wirtszellen, hervorgerufen durch pathogene Microbiota sowie durch neue Wirkstoffe, ist eine wichtige Voraussetzung für eine klinische Übersetzung der am HIPS entwickelten Konzepte.

Unsere Forschung

Bioinformatik haben in den letzten Jahren Einzug in fast alle biomedizinischen Forschungszweige gehalten. Essenzielle pathogene Faktoren wie Virulenz oder Resistenz werden durch komplexe genregulatorische Pfade sowie durch den Typ der befallenen Wirtszelle bestimmt. Diese molekularen Vorgänge können mithilfe von bioinformatischen Methoden entschlüsselt werden. In der Antibiotikaforschung sind in naher Zukunft sowohl räumlich als auch zeitlich aufgelöste molekulare Studien prädikativ um die Effektivität neuer Wirkstoffe mit Blick auf pathogene Microbiota und Infektionsverläufe umfassend bewerten zu können. Dies ist entscheidend für die Chancenbewertung moderner translationaler Ansätze und Therapeutika.

Die Arbeitsgruppe von Dr. Fabian Kern beschäftigt sich mit der bioinformatischen Analyse von Einzelzell-Sequenzierungsdaten, u.a. gewonnen durch Infektionsmodelle und humane klinische Proben. Darüber hinaus sind wir an einer Beschreibung mikrobieller Communities in Infektionsherden interessiert, die wir mit Methoden der sog. Metatranskriptomik untersuchen und mit den parallel verlaufenden Prozessen der Wirtszellen in einen logischen Zusammenhang setzen. Ziel ist es Veränderungen der zellulären RNA-Profile über Zeit und Raum, induziert durch Infektionen und neue wirksame Antiinfektiva, mit verständlichen Modellen via Maschinellem Lernen und Algorithmen umfassend zu beschreiben. Hierdurch wird eine schrittweise Interpretation von komplexen, und potenziell durch Infektion ausgelöste Phänotypen wie Systemkrankheiten und vorzeitige biologische Alterung möglich gemacht.

Team-Mitglieder

Forschungsprojekte

Charakterisierung der Technologien für räumliche Einzelzell-Transkriptomik mit Anwendungen in der Infektionsforschung

Die rasante Entwicklung im Bereich der RNA-sequenzierung in den letzten Jahren erlaubt es uns detaillierte RNA-profile von einzelnen Zellen aus menschlichem Gewebe und Körperflüssigkeiten zu bestimmen. Neue experimentelle Ansätze, die etablierte Methoden der räumlichen Markierung von RNA Molekülen mit Hochdurchsatz-sequenzierung kombinieren (Spatial Transcriptomics) eröffnen ganz neue Möglichkeiten die räumlichen Auswirkungen von lokalen Infektionsherden auf umliegende Zellen in hunderten von Gewebeproben zu untersuchen. Für tiefergehende Analysen der Sequenzierungsdaten ist fortschrittliche Bioinformatik essenziell, um funktionale biologische Zusammenhänge zu entdecken. Auch spielen viele technische Faktoren eine wesentliche Rolle, die die Interpretation beeinträchtigen können. Wir beschäftigen uns daher mit unterschiedlichen Technologien führender Hersteller, um unsere Software an verschiedenen Anwendungsfällen zu testen und Ergebnisse qualitativ zu vergleichen. Primär sind wir dabei auf der Suche nach Anwendungen in der Infektions- bzw. Antibiotikaforschung, um neue Wirkstoffe bzgl. ihrer molekularen Wirkung zu kartographieren.

Entwicklung neuer Graph-basierter Methoden zur abstrakten Modellierung von Zellnachbarschaften und Signalwegen

Nach anfänglicher Prozessierung und Aufbereitung von RNA-Sequenzierungsdatensätzen lassen sich die gewonnen zellulären Profile weiter abstrahieren. Wir forschen daher an neuen Algorithmen, die uns erlauben pathogen veränderte Profile von gesunden zu unterscheiden, um Krankheitssignaturen zu extrahieren. Eine sehr vielversprechende Methode besteht darin, Zellen und Zellverbünde als Knoten in lokalen bzw. globalen Graphen zu modellieren. Kanten zwischen diesen Knoten werden anhand von Signalwegen oder anderen biologischen Kriterien definiert - Prozesse, die durch die Genexpression gesteuert werden. Als direkte Ableitung solcher Gen-Signaturen lässt sich nicht nur erkennen welche durch menschliche Gene gesteuerten Funktionen von Pathogenen beeinflusst werden, sondern welche interzellulären Signalwege und Prozesse gestört sind. Im nächsten Schritt sollen neue Antiinfektiva hinsichtlich ihrer Wirkung und Compliance getestet und ihre der Krankheit gegenläufige Wirkung molekular überprüft und bestätigt werden. Dabei spielt insgesamt eine inhärent räumlich bzw. zeitliche Auflösung eine entscheidende Rolle, um die Chancen für translationale Erfolge zu maximieren.

Identifizierung molekularer Krankheitsmarker an essenziellen biologischen Schnittstellen zur Ableitung neuer pharmazeutischer Wirkstoffe

Biologische Barrieren sind für den Körper ein unverzichtbares Instrument, um die nötigen physiologischen Bedingungen zu schaffen. Nicht zuletzt besteht die Aufgabe oft darin, sterile Bereiche zu schaffen die frei von Mikroben sind. Zahlreiche Beispiele für menschliche Krankheiten sind auf solche gestörten Barrieren zurückzuführen. Gleichzeitig müssen alle Wirkstoffe viele dieser Barrieren überwinden, um an den designierten Zielort im Körper zu gelangen. Daher sind biologische Barrieren von besonderem Interesse für die Wirkweise von Antibiotika. Neue Wirkstoffe könnten hier helfen gestörte Barrieren wieder in einen gesunden Zustand rückzuführen. Dafür möchten wir die Genexpressionsprofile der an Barrieren vorhandenen, spezialisierten Zelltypen wie etwa Endothelzellen entschlüsseln und eine pharmazeutische Ausrichtung vorbereiten bzw. begleiten.

Implementierung von frei zugänglichen wissenschaftlichen Datenbanken & Webservern

Die in der Bioinformatik zu verarbeitenden Datenmengen sind enorm und die Tendenz ist steigend. Wir sind daher auf flexible und effiziente Formate der Datenspeicherung bzw. dem Datenaustausch rund um die Uhr angewiesen. Unsere bereits vorhandene Erfahrung im Bereich Datenbank- bzw. Webserver-entwicklung für wissenschaftliche Zwecke bauen wir nun weiter aus, um Daten der Transkriptomik der wissenschaftlichen Öffentlichkeit niederschwelligen Zugang zu wertvollen experimentellen Daten zu bieten. Insbesondere bereits vorprozessierte, verständlich abstrahierte Daten sind dabei von breitem Interesse. Wir legen dabei besonderen Wert auf Transparenz und Reproduzierbarkeit unserer Studien und probieren gerne neue Wege aus der Informatik aus, diese Eigenschaften weiter zu verbessern.